Ausstellung Haus 8, Kiel - März 2016 (Kopie)
Können Sie Faltboot?
Zur neuen Ausstellung „Fluss des Moments“ in der Galerie Bernau
Sabine Miereke / Kuratorin
Die fragende Überschrift mag provokant sein – aber zumindest Gregor Krampitz, einer der beiden Künstler der neuen Ausstellung in der Galerie Bernau, kann diese Frage reinsten Gewissens bejahen. Und in der Tat erinnern die Objekte, die er im größten Raum der Galerie und deren Innenhof präsentiert, an die Fingerübungen mit jeglichem Papier, die uns alle durch unsere Kindheit begleitet haben. Krampitz, im Grenzgebiet Ostberlins groß geworden, faltete mit wachsender Begeisterung und gab die Ergebnisse seines Tuns im Angesicht der Grenzsoldaten mit einer Mischung aus Spielfreude und kindlicher Subversivität den Wassern der Panke anheim: dahintreibend in ein nahes und doch unerreichbar scheinendes Land, weg von jeglicher Enge. An Bord eine Fülle naiver Fragen und Sehnsüchte an die Fremde. Das prägte und blieb im Gedächtnis.
Viel später, schon erwachsen und künstlerisch unterwegs, besann Krampitz sich auf diese frühen Erfahrungen. Erstmalig verarbeitete er 2010 diese prägenden Erlebnisse, indem er überdimensioniert seine Kindheitsfaltboote in Kunststoff, also auch Zeit überdauern könnend, nachbildete und sie im Spreewald schwimmend und sich im Wasser spiegelnd, dem Publikum präsentierte. Dafür erhielt er seinerzeit den Kunstpreis der 6. Aquamediale. Jene Armada hat über die Jahre Zuwachs erfahren und präsentiert sich nun den Besuchern der Galerie Bernau: der Fußboden des inneren Ausstellungsraumes und das Hofsteinpflaster werden zum neuen „Wasser“, auf dem die Boote ihre Bahn ziehen. Hier greift die künstlerische Kooperation mit Karsten Kelsch, der dafür den gestalterischen Background liefert. Kelschs Material ist Papier. Aus dem lässt er Landschaften entstehen, indem er Lagen gerissener Papierbahnen übereinander schichtet, die an der Unterseite gestaffelt sind und, sich überlagernd, Tiefenwirkung erzeugen. Mit den Struktur gebenden Bemalungen auf Papier auf Papier auf Papier erschafft er fiktionale Raumvorstellungen, die den Betrachter in seine Sicht von Welt im Landschaftsausschnitt mitnehmen. Grafische Zeichen, eruptiv verdichtet, sich wieder auflösend und teilweise kratzend bearbeitet, spannen sich über die oberste Papierlage. Man meint, in eine Berglandschaft involviert zu sein. Oder ist es doch die Anmutung von Wasserfall? Gleichwie - es ist Natur und die kommt gewaltig und auch ein wenig gewalttätig daher. Sinnlich spürbar die darin liegende Kraft. Die Hintergründigkeit von Karsten Kelschs Arbeiten ist dabei durchaus doppeldeutig zu begreifen. Letztlich verführt er uns in eine Raumtiefe, welche auf den ersten Blick nicht aus der Materialität von Papier erklärbar scheint. Das Arbeitsprinzip und die Ästhetik des Künstlers werden zudem in extra zugeordneten kleineren Arbeiten deutlich.
Einmal vom Virus des Schweifens in die Ferne beseelt, wechseln in beider Gestaltung die Motive. Was ursprünglich von Wassern bewegt dahin strebt, schwingt sich im Eingangsbereich der Galerie nun als Krampitz‘ Flugobjekt himmelwärts und wird dortselbst durch Kelschs Papierrelief im Hintergrund geortet und befriedet. Immer aber dieses Hinaus und Hinfort; die Haltung des Erprobens und Auskostens von Grenzen als ein Vehikel, aus dem Kunst erwachsen kann. Später Tribut an Kindheitserfahrung und als deren Bleibendes ein Ausbrechen aus dem Kreisen um Alltäglichkeit.
Ungewöhnlich, und damit ebenso fernab von Gewohntem, präsentieren beide Künstler im Ateliergebäude der Galerie eine Schatten-Klang-Installation. Gabeln jeglicher Provenienz, die über die Zeit des Nichtgebrauchs Patina angesetzt haben, hängen von der Raumdecke herab als vielteiliges, scheinbar schwebendes Objekt und werfen im wechselnden Lichteinfall ihre Schatten an die Wand, so, wie sich vor Jahren Krampitz‘ Boote im Spreewaldwasser spiegelten. Anderer Ort, anderes Material, gleiches Prinzip. Geraten diese metallenen, patinierten Alltagsgegenstände im Luftzug der geöffneten Tür in Schwingung, kommen mit ihnen auch ihre Schattenbilder in Bewegung. Die Lebendigkeit im Raum betrifft das reale Objekt wie auch sein Projektionsbild. Ganz nebenher kann es je nach Heftigkeit des Luftzuges zum Klingen und Bimmeln im gegenseitigen Anstoßen der aufgehängten Teile kommen. Berührt sein entsteht durch Berührung. Aber ist es so nicht überhaupt?
Zur Vernissage lädt die Galerie am 11. Juli ab 19 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 23. August zu den offiziellen Öffnungszeiten zu sehen. Über Sonderveranstaltungen wird rechtzeitig per Pressemitteilung informiert.
Öffnungszeiten: Die. – Fr.: 10-18 Uhr, Sa.: 10-16 Uhr
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Märkische Oderzeitung 15.7.2014 (Ausstellung Galerie Bernau, Bernau bei Berlin)
Realität und Fantasie
Bernau (MOZ) Den Veranstaltern der Galerie Bernau ist mit der Vernissage am Freitag zur Ausstellung "Fluss des Moments" ein in vieler Hinsicht besonderer Wurf gelungen. Wenn der Titel der Ausstellung auch mehr als rätselhaft erscheint, gibt die Schau dann aber viele Antworten.
Installationen mit weißen Schiffen und Fliegern sind zu sehen und dominieren die Schau. "Sie sollen Träume nach außen tragen", sagt Gregor Krampitz zu seinen Rauminstallationen. Inspiriert dazu wurde er in seiner Kindheit, in der er in Berlin-Pankow wohnte und weiße Schiffchen mit darauf geschriebenen Wünschen in Richtung Westen schickte. Kombiniert sind die Schiffe von Krampitz mit den Bildern von Karsten Kelsch, der mit besonderer Mischtechnik und mit übereinander geschichteten abgerissenen Papierbahnen arbeitet. Mit den Werken "Einfahrt" oder "Flüchtlinge" bekommt die Bootsthematik einen unerwartet ernsten Hintergrund. Sehenswert auch die Arbeit "Der Riss", in der Kelsch unzählige Papierstreifen übereinander geschichtet hat.
"Diese Kreativität! Es ist so unglaublich, wie die abgerissenen Papierbahnen in die Komposition eingearbeitet wurden", war Thomas Uhlich, ein Besucher der Vernissage aus Berlin begeistert. Es sei "verrückt" und "phänomenal".
Maßgeblich für die Entscheidung des Beirats zu Gunsten der Arbeiten von Krampitz und Kelsch für die neue Ausstellung in der Galerie Bernau war nach Worten der Kuratorin Sabine Miereke das Konzept der Künstler, das sehr ausgereift darstellt, "wie die Räume zu bespielen sind". Dazu kommt, dass es in die Thematik des Jahres "Skulptur und Rauminstallation" passe.
Die für die Vernissage ausgewählte Musik vervollständigte diesen ganz besonderen Abend. Mit einem überirdisch erscheinen Stimmvolumen und einem Klang, der am ehesten an einen enorm langgezogenen orientalischen Gong erinnerte, begeisterte Simon Jakob Drees die Besucher. Untermalt wurde seine Vokalkunst von Ravi Srinivasan, der die dazu passende Schlagzeugbegleitung meisterlich beherrschte.
Brigitte Horn (MOZ, RED. Bernau)
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Mit Papierboten in den Appalachen
von Richard Rabensaat
Und im Hintergrund fließt ein Wasserfall. Die Papierboote von Gregor Krampitz vor der vagen Landschaftsmalerei von Karsten Kelsch. Foto: Manfred Thomas
Karsten Kelsch und Gregor Krampitz zeigen eine Panorama-Installation in der Produzentengalerie M
Auf dem Boden der Produzentengalerie des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler (BVBK) schwimmt eine Mini-Armada aus drei großen Papierbooten. Unter der Decke hängt ein Geschwader von Flugzeugen, ebenfalls aus Papier gefaltet. Im Hintergrund, locker mit schwarzer Farbe auf weißem Untergrund gemalt, rauscht ein Wasserfall in die Tiefe, auf der anderen Seite erhebt sich ein hügeliges Bergpanorama. „Fernweh“, so der Ausstellungstitel, macht sich breit.
Die Neugier auf andere Horizonte und Perspektiven beschäftigt die Kunst bereits seit Jahrhunderten. Schon Caspar David Friedrichs „Wanderer“ zog es in die nebelverhangene Ferne. „Unterwegs in den Appalachen in Tennessee, mit einer anschließenden Fahrt durch das Mississippi-Delta bei New Orleans“ könnten die Künstler gemäß dem Ausstellungstext gewesen sein, oder im Himalaya, oder in den Tagebaulandschaften der Lausitz, oder mit dem Kanu im Spreewald. Im Sommer, in den Ferien, locken ferne Länder und der Wunsch, neue Lebenswelten zu entdecken. Das endet zwar im real existierenden Urlaubstourismus regelmäßig in einer Bettenburg an der restlos zubetonierten, kahlgebrannten, mediterranen Felsküste. Der leise Verdacht, dass da noch etwas anderes jenseits der katalogisierten Tourismusindustrie sein könnte, aber bleibt.
Die Faltobjekte von Gregor Krampitz sind eine Neuerung im Werk des 1966 bei Parchim geborenen Künstlers, der zumeist Fotoarbeiten auf Stahlplatten fertigt. Ihn interessiere das Zusammentreffen von einem Foto, das ja einen Moment für die Ewigkeit festhalten solle, und der Vergänglichkeit des Stahls, der zwar stabil, letztlich aber doch einer ständigen Erosion ausgesetzt sei, erklärt der Künstler. Die Objekte in der Galerie sind zwar aus einem festen Papier gefertigt, aber sicher ebenfalls vergänglich. Als Teilnehmer der „Aquamediale“ lässt Krampitz derzeit eine Flotte von schematisierten, kleinen Häuschen durch die Wasserlandschaft bei Lübben schwimmen. Es sind Zeichen, vielleicht für eine Realität, in der sich viele gewohnte Lebenswelten und Verhaltensmuster ebenfalls auf ein Zeichen reduzieren und ins Schwimmen geraten. Ihre Qualität besteht darin, dem Betrachter einen Spielraum für die Ausdeutung des Bezeichneten zu eröffnen. Heim und Familie, Fernweh, was bedeutet das heute?
Auch die Papierflieger an der Decke der Galerie sind nicht eindeutig festgelegt. Zunächst einmal erscheinen sie als unschuldige Reminiszenzen an die Kindheit, an den Papierflieger, der die Lehrerin im Rücken traf, während sie an der Tafel biologische Formeln erklärte. Allerdings ähneln die Modelle auch den Düsenjägern, mit denen derzeit Soldaten über Afghanistan rauschen und dort ihre tödliche Fracht abwerfen. Das Bergpanorama, vor dem die gefalteten Objekte schweben, könnte ebenso gut ein Urstromtal wie eine Landschaft Afghanistans sein, schließlich ist das Land durch seine großen Bergmassive geprägt. Das vermeintlich unschuldige Thema des Fernwehs bekommt so einen bitteren Beigeschmack.
Der Vieldeutigkeit der Inszenierung entsprechen die Papierbilder von Karsten Kelsch. Locker, mit schwarzem Strich auf große Bahnen mehr gezeichnet als gemalt, lassen sie zwar das gemeinte Motiv erkennen, bleiben aber so weit im Vagen, dass kein illusionistisches Panorama entsteht. Keine bestimmte Bergregion ist gemeint, sondern eine Chiffre für die Bergregion, die vielleicht durch Träume und Erinnerungen spukt.
Der lockere Strich der großen Blätter entspricht dem generell freien Duktus, den Kelsch auch bei seinen Drucken, die sich häufig dem Thema des menschlichen, und daher wie üblich in Malerkreisen dem weiblichen Akt widmen. Die gefalteten Schiffe zusammen mit den frei gehaltenen Landschaftsmalereien ergeben eine hübsche, gut in den Raum gesetzte Installation. Der Betrachter kann seine Gedanken zum Thema frei schweifen lassen. Das ersetzt zwar keine Fernreise, ermöglicht aber immerhin einen kurzen Gedankenflug.
Noch bis zum 21. August in der Produzentengalerie M des BVBK im Luisenforum (Hermann-Elflein-Straße 18), mittwochs bis freitags 11-17 Uhr, samstags und sonntags 11-18 Uhr
Potsdamer Neueste Nachrichten - 28.07.2011 auf Seite 26
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Märkische Allgemeine 13.8.2011 (Ausstellung Galerie M, Potsdam)
Schiffchen und Papierflieger Ausstellung Fernweh
Leicht ist die künstlerische Kost, die in der Sommerausstellung der Produzentengalerie „M“ des Künstlerverbandes am Luisenforum geboten wird. Eine Installation von Karsten Kelsch und Gregor Krampitz fordert auf zu einer sommerlichen Reise in die fern-nahe Welt der Kunst mit ihren assoziativen Angeboten.
Gegenständliches und Ungegenständliches hat sich gefunden. Auf weißen, raumhohen Papierbahnen entfalten sich zwei schwarz-weiße Pinselarbeiten, die aus Absicht und Zufall in der Flächenfüllung ihre Wirkung beziehen. Das eine, vor allem aus vertikal gesetzten Strukturen und Flächen geschaffene Blatt lässt die Vorstellung eines Wasserfalles entstehen, ergänzt durch drei davor, leicht erhöht gesetzte, stark vergrößerte Papierschiffchen aus starkem Karton. Die mehr aus horizontal angelegten schwarzen Linien und Flächen auf einem zweiten, doppelbahnigen Blatt meinen unverkennbar ein Bergpanorama. Der Blick darauf wird immer wieder unterbrochen durch davor kreuz und quer dahinschwebende, überdimensionierte Papierflieger, wie sie in Originalgrösse mal schnell aus einer herausgerissenen Schulheftseite gefaltet werden. Fernweh begrenzt sich hier nicht nur auf Landschaften, sondern auf die Welten der Kindheit mit der Begeisterung des Spielens. Doch die ins Überdimensionale gesteigerten Flugobjekte lassen nicht nur friedliche Erinnerungen aufkommen – abgesehen davon, dass ihre Flugrouten nichts Gutes verheißen.
Die beiden großen Grafiken sind der künstlerische Extrakt dieser Ausstellung. Es sind Arbeiten von Karsten Kelsch, geboren 1962 in Hoyerswerda, als dort ringsum der Braunkohlentagebau die Lausitzer Heidelandschaft unter den Baggern verschwinden ließ und Plattenbauten das kleine, verschlafene Städtchen umzingelten. Verständlich, dass Kelsch seine Berufsausbildung im Bergbau absolvierte. Erst als 35-Jähriger begann er ein Malereistudium, ergänzt durch eine Ausbildung in Druckgrafik und Multimedia-Design. Gregor Krampitz, geboren 1966 in Parchim und Schöpfer der Flieger und Schiffchen, hat sich seine Sporen als Fotograf verdient, ausgebildet kurz vor der Wende im Berliner Verlag. Auch er begann Anfang der 1990er Jahre noch ein Kunststudium. aneu
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